Nach dem Deck of Dungeons - Ein Post Mortem
Mein erstes Kickstarter Projekt "Deck of Dungeons" ist nun endlich ausgeliefert - bzw. befindet sich noch im Versand - und ich versuche hier mal meine Gedanken dazu zu ordnen. Denn am Ende lief alles doch ganz anders als erwartet.
Erwartung
Fangen wir damit an, was ich mir von dem Deck of Dungeons Kickstarter erhofft habe bzw. mit welchen Erwartungen ich da rangegangen bin.
Ich habe das komplette Deck of Dungeons im Voraus fertig gestellt. Zumindest die geplanten 36 Karten. Um sicher zu gehen, dass mir nicht nur die digitale Version gefällt habe ich das Deck als Prototyp bestellt. Zum Glück. Es gefiel mir zunächst nicht. Also ein wenig nachbearbeitet und noch einen Prototypen bestellt. Das hat jedesmal um die 25€ gekostet, war mir die Sache aber wert. Ich wollte halt genau wissen was die Unterstützer nachher erwartet.
Nach ein wenig Recherche und unter Einfluss meiner eher pessimistischen Natur habe ich kalkuliert, dass vielleicht 100 bis 150 Leute bereit wären das Deck of Dungeons zu unterstützen. Ein paar das physische Deck, einige die digitale Version und wenn ich Glück habe auch ein paar, die beides haben möchten. Das würde grade so reichen um den Druck und Versand zu finanzieren.
Überdies wollte ich das ganze Projekt so einfach wie möglich halten. Das war mein erstes Projekt. Also keine Stretchgoals oder sonstigen Extras. Die digitalen Versionen schicke ich per Hand raus. Sollten ja nicht so viele sein.
Wirklichkeit
Vergleichen wir das jetzt mal mit der Realität.
Das Deck fühlte sich plötzlich sehr, sehr leicht an. 36 Karten sind halt nicht so viel. Also gut - doch ein Stretchgoal. 54 Katen, wenn wir mehr als 300 Unterstützer zusammenbekommen. Dass das passiert war damals für mich unvorstellbar.
Tja, und dann kam das Finanzierungsziel doch schon am ersten Tag rein. Okay, okay. Keine Panik. Das ist der erste Tag. Danach kommt wahrscheinlich kaum noch jemand dazu. Werbung mache ich a auch kaum. Und ich habe vergleichsweise halt so gut wie keine Follower. Also durchatmen...
Doch irgendwie ging es so weiter. Und mit jedem Tag kamen neue Anfragen. Mehr Stretchgoals, Händlerrabatt, mehr als ein Deck - was passiert hier grade? Damit habe ich nicht gerechnet. Darauf bin ich gar nicht vorbereitet aber gut, das schwierigste (Druck & Versand) übernimmt ja nachher MPS für mich.
Fast forward. Ein paar Tage später musste ich feststellen, dass MPS aufgehört hat auf Anfragen zu reagieren. Per Mail, Facebook und auch die Website war nicht mehr erreichbar. Das war der Zeitpunkt an dem für mich Panik angesagt war. Der Mauszeiger schwebte förmlich schon über dem "Projekt abbrechen" Link bei Kickstarter. Zum Glück habe ich mich dann nach Alternativen umgeschaut. Eine neue Druckerei musste her, die meine Karten nach meinen Spezifikationen drucken kann. Und am besten auch noch den Versand an den Endkunden übernimmt. Um auf Nummer sicher zu gehen wollte ich mich überdies an ein deutsches Unternehmen wenden. Teurer, langsamer aber hoffentlich auch zuverlässiger. Gefunden habe ich dann die ASS-Altenburger. Die machen zwar den Versand nicht, aber reagieren wenigstens angemessen schnell und waren über den ganzen Prozess super hilfreich und geduldig. Und eine Versandfirma habe ich dann auch noch finden können. Die Leute von Byrd haben mir super geholfen und mir gelinde gesagt das Hinterteil gerettet. Denn hätte ich 1500 Sendungen selber, nach der Arbeit verpacken und versenden müssen hätte sich das Projekt nochmal um ein, zwei Monate verschoben.
Auch der Versand der digitalen Version war jetzt plötzlich nicht mehr so einfach. Ich kann nicht einfach tausende Mails per hand senden. Das würde nochmal Wochen in Anspruch nehmen. Also habe ich mich dafür entschieden die digitale Version einmal bei Gumroad hochzuladen, per Script jede Menge 100% Discount codes zu generieren und dann diese per Mail zu versenden. Ebenfalls per Script. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass meine Domain innerhalb von Minuten bei allen größeren Anbietern geblockt wurde. Die Codes musste danach im Schneckentempo raus. Mit einer Mail pro 90 Sekunden. Das hat einigermaßen geklappt. Leider haben viele Leute ihren Code nicht erhalten und mussten den über die nächsten Wochen bei mir anfragen.
Und was lernen wir daraus?
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich tatsächlich ein weiteres Projekt in der Richtung machen werde. Am Ende war das eine Menge Arbeit und ich bin froh, wenn jeder seine Decks erhalten hat. Aber nichts desto trotz habe ich eine Menge gelernt. Und das alleine ist schon ein großer Gewinn.
1.) Zunächst schadet es bei der Planung sicher nicht, für jeden Punkt in der Produktions- und Lieferkette einen Plan B zu haben. Und zwar nicht nur einen Gedanken daran, sondern einen konkreten Plan. Was für andere Druckereien gibt es, was sind da die Preise, wie bekomme ich die Waren verpackt und versandt? Wie handhabe ich Retouren und Reklamationen? Man sollte den kompletten Prozess vom Ende der Kickstarterkampagne bis hin zum zurücknehmen der Ware im Problemfall aufdröseln und für jeden Schritt zwei Optionen haben. Eigentlich ganz offensichtlich, oder?
2.) Rechne mit einem knappen Erfolg (um Enttäuschungen vorzubeugen), plane aber auch für den Fall, dass das Projekt plötzlich 20x größer wird. Dies betrifft hauptsächlich zwei Sachen. Den Zeitraum in dem das Produkt versandt wird und der Aufwand der für Kommunikation draufgeht. Es geht weitaus schneller 100 Kartenspiele in China zu drucken (5-10 Tage), als 2000 in Deutschland (6-10 Wochen). Plane also weitaus mehr Zeit als du denkst. Ich musste peinliche Updates schreiben und Leute vertrösten. Das tut weh und knabbert am Stolz. Selbst mit unglaublichen lieben und verständnisvollen Unterstützern.
Der Aufwand für die Kommunikation sollte auch nicht unterschätzt werden. Klar, bei 100 Leuten kann man damit rechnen, dass vielleicht 10 Leute einen Kommentar oder eine Nachricht schreiben. Das ist nichts. Aber die Anzahl an Anfragen steigt linear mit der Anzahl der Unterstützer. Möglicherweise sogar mehr als linear, wenn man bedenkt, dass durch mehr Unterstützer auch andere Probleme kommen, die man kommunizieren muss. Dazu kommen noch Updates. Einer pro Monat ist minimum, aber grade während die Kampagne läuft oder wenn es an den Versand geht sollte mit erhöhter Frequenz gepostet werden. Dann kommen noch Anfragen von Marketingagenturen und anderen Creators, die gerne Crosspromotions machen würden. Das wird mehr, je mehr Unterstützer ein Projekt hat.
3.) Die Kickstarter-Tools sind ziemlich genial. Nur beim managen der Pledges sind deutliche Schwächen zu erkennen. Mehr als ein Artikel? Händler? Late-Pledge? Addons? Das kann man alles vergessen. Man sollte sich unbedingt vorher schlau machen, ob man nicht doch einen der bekannten Pledge-Manager wie backerkit nutzen möchte. Die schnorcheln natürlich nochmal was vom Umsatz ab aber eventuell ist es das wert, wenn dadurch Zeit und Frustration gespart werden kann.
Was kommt als nächstes?
So, genug von der Vergangenheit. Wie sieht die Zukunft für Mythical Ink aus? Ehrlich gesagt weiß ich es noch nicht ganz. Zunächst werde ich schauen, dass ich einige übrig gebliebene Kopien des Deck of Dungeon irgendwie vertreibe. Dann überleg ich ob ich ein weiteres, ähnliches Kickstarterprojekt ins Leben rufe.
Aber ich will auch weiter an der Website arbeiten. Der Loot-Generator und das Gegenstandsverzeichnis bieten eine tolle Datengrundlage für weitere Tools in die selbe Richtung und auch sonst habe ich einige Ideen was hier noch hinzukommen könnte.
Außerdem liebäugle ich zur Zeit auch ein wenig mit dem Thema Gamedev. Und zwar sowohl digital als auch analog. Es wäre schon eine Herausforderung ein Spiel zu designen und von vorne bis hinten umzusetzen. Egal ob Brett- oder Computerspiel.
Aber eins nach dem Anderen. Ich sehe erst mal zu, dass das Kapitel Deck of Dungeons sauber abgeschlossen wird.